Sonntag, 9. Juni 2019

[ #EUROPA ] Der Brexit und die ökonomische Identität Großbritanniens


Zwischen globalem Freihandel und ökonomischem Nationalismus.

Zusammenfassung. Um den Konflikt zwischen EU-Befürwortern und -Kritikern zu beschreiben, wird häufig das wirtschaftspolitische Gegensatzpaar „ökonomischer Nationalismus“ versus „globalen Freihandel“ bemüht. Der vorliegende Beitrag nimmt das britische EU-Referendum zum Anlass, sich kritisch mit dieser Dichotomie auseinanderzusetzen. Entlang einer wirtschaftssoziologischen, diskursanalytischen Untersuchung von rund 400 Kampagnendokumenten zeigt sich, dass dieses Gegensatzpaar die wirtschaftspolitischen Standpunkte von Gegnern und Befürwortern des Brexit nur unzureichend beschreibt. Es wird deutlich, dass insbesondere die Position der EU-Skeptiker durch die Integration gegensätzlicher wirtschaftspolitischer Idealbilder und historischer Argumente geprägt war.

Diese Unbestimmtheit erlaubte wiederkehrende Verweise auf unterschiedliche wirtschaftspolitische Traditionen Großbritanniens: einer Wirtschaftsnation, deren Selbstverständnis historisch sowohl von Nationalismus als auch von Globalismus, sowohl von Liberalismus als auch von Interventionismus geprägt wurde und die daher gleichzeitig nach ökonomischer Öffnung und ökonomischer Schließung strebt.

Die Fähigkeit der Brexit-Befürworter, ein heterogenes Bündnis zu mobilisieren, könnte somit auch darin begründet liegen, dass es ihnen gelang, eine potenzielle ökonomische Zukunft zu skizzieren, die verschiedene Facetten der ambivalenten ökonomischen Identität Großbritanniens anspricht und damit für verschiedene Weltanschauungen und Interessen anschlussfähig erscheint.

MPIfG Discussion Papers. Das sind begutachtete Aufsätze aus der Forschung des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung (MPIfG), die zu aktuellen wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Debatten beitragen.Die Discussion Papers können frei als PDF-Dateien heruntergeladen oder unentgeltlich direkt beim MPIfG bestellt werden.

Das Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung (MPIfG) ist eine Forschungseinrichtung der Sozialwissenschaften in Köln. Es betreibt anwendungsoffene Grundlagenforschung mit dem Ziel einer empirisch fundierten Theorie der sozialen und politischen Grundlagen moderner Wirtschaftsordnungen. Im Mittelpunkt steht die Untersuchung der Zusammenhänge zwischen ökonomischem, sozialem und politischem Handeln. Mit einem vornehmlich institutionellen Ansatz wird erforscht, wie Märkte und Wirtschaftsorganisationen in historisch-institutionelle, politische und kulturelle Zusammenhänge eingebettet sind, wie sie entstehen und wie sich ihre gesellschaftlichen Kontexte verändern. Das Institut will eine Brücke zwischen Theorie und Politik schlagen.

 [citizen|BürgerIn|citoyen]

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Inhalt
1 Einleitung 1
2 Ökonomischer Nationalismus und globaler Freihandel: Zur Verortung
einer wirtschaftspolitischen Opposition 3
3 Nationale ökonomische Identität – eine wirtschaftssoziologische Perspektive 5
4 Zwischen Corn Laws und Tariff Reform: Die ambivalente ökonomische
Identität Großbritanniens 9
5 Die Brexit-Kampagne: Daten und Methode 15
6 Ökonomische Identität als zentrales Thema 19
7 Zwischen Interventionismus und Liberalismus 22
8 Zwischen Nationalismus und Globalismus 27
9 Fazit und Ausblick 32
Literatur 34

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