Dienstag, 8. Mai 2012

Kinderbetreuung: "Manche Politiker hören erst zu, wenn Kosten- und Nutzenrechnungen präsentiert werden"

Die Familien- und Bildungsökonomie ist ein vergleichsweise junger Zweig der Wirtschafts- und Sozialforschung. Geprägt wurde er vor allem in den USA, erst später wurde die Forschungsrichtung auch in Deutschland aufgegriffen. Im Mittelpunkt stehen häufig klassische ökonomische Fragen: Wie ist das Verhältnis von Aufwand und Ertrag, etwa bei staatlichen Bildungsausgaben? Welche Rolle spielt Wettbewerb? Wie kann man Bildungsqualität messen? Und wie beeinflussen sozio-ökonomische Faktoren wie das Einkommen oder die Bildung der Eltern die Bildungsprozesse in der Familie und der Kita?

Der Erfolg der Bildungsökonomie ist übrigens keinesfalls selbstverständlich: "Man wird als Ökonomin teilweise sogar ausgebuht, wenn man über Effizienz in der frühkindlichen Bildung spricht", fasst DIW-Bildungsökonomin C. Katharina Spieß ihre Erfahrungen zusammen. "Für bessere Bildungsergebnisse ist die Einmischung von Wirtschafts- und Sozialforschern aber essentiell - manche Politiker hören erst zu, wenn Kosten- und Nutzenrechnungen präsentiert werden."

Zu den neuen Grundkoordinaten der Bildungspolitik gehört zum Beispiel auch der Befund des Wirtschaftsnobelpreisträgers James Heckman von der Selbstproduktivität frühkindlicher Bildung. Sprich, früh erworbene Fähigkeiten erhöhen die Wirkung späteren Inputs. Oder auf Bildungsausgaben übersetzt:

Ein Euro, der in die Bildung und Betreuung kleiner Kinder investiert wird, erzielt wesentliche stärkere Wachstums- und Wohlfahrtseffekte, als ein Euro, der für weiterführende Schulen, Berufsschulen oder Universitäten ausgegeben wird. 

Die Forschung gibt inzwischen auch ziemlich konkrete Hinweise darauf, welche Politikmaßnahme wirkt und welche nicht", so das Fazit der Bildungsexpertin C. Katharina Spieß vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung.

Ein Beispiel für die Fortschritte der Forschung ist das Thema Bildungschancen. Politisch besteht großer Konsens, dass Bildung der Schlüssel ist, um soziale Benachteiligungen zu überwinden und gesellschaftlichen Aufstieg zu ermöglichen. "Die empirische Bildungsforschung gibt inzwischen viele Hinweise darauf, wie wir mehr Chancengleichheit erreichen", sagte C. Katharina Spieß, DIW-Forschungsdirektorin für Bildungsökonomie. Ein zentraler Hebel liege in einer frühen Bildungsförderung in der Familie und der Kita.
Gerade Kinder, die besonders profitieren könnten, besuchen erst später eine Kita 
Bildungsforscher können empirisch belegen: Insbesondere bei Kindern, deren Eltern einen niedrigeren Bildungshintergrund haben, steigt mit einem Kita-Besuch die Wahrscheinlichkeit besonders stark an, dass sie später den Sprung aufs Gymnasium schaffen. Ernüchternd ist allerdings das reale Bildungsgeschehen: "Gerade Kinder aus Haushalten mit geringem Einkommen oder mit Eltern, die einen Migrationshintergrund haben, sind diejenigen, die im Schnitt später als andere in die Kita gehen."

Auch frühkindliche Aktivitäten außer Haus können neben  der Kindertagesbetreuung Möglichkeiten der frühkindlichen Bildung sein. Darüber hinaus können sie Eltern  eine soziale Teilhabe sichern. Nahezu die Hälfte aller  (deutsche) Kinder, die noch nicht zur Schule gehen, nutzt solche  „außerhäusigen“ Angebote. Dabei sind es bei Kindern  unter drei Jahren vorrangig Eltern-Kind-Gruppen und  bei Kindern im Kindergartenalter vor allem sportliche  Aktivitäten. Neben regionalen Unterschieden zeigt  sich zum Beispiel, dass erwerbstätige Mütter seltener  Eltern-Kind-Gruppen besuchen als nicht erwerbstätige  Mütter. Kinder mit Müttern aus bildungsfernen Gruppen und insbesondere aus Haushalten mit geringem  Einkommen nutzen entsprechende Angebote mit einer  geringeren Wahrscheinlichkeit.

[CITIZEN|BÜRGER|-INNEN|CITOYEN] LINK ➨ Einkommen und Bildung beeinflussen  die Nutzung frühkindlicher Angebote außer Haus 
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