Zum Vorwurf der Geschichtsfälschung etwas Nachhilfeunterricht für Kickl. Wer sich der Passwörter des Nationalsozialismus bedient sollte auch dies wissen:
Wiener Blut ist eine "komische Operette" in drei Akten von Johann Strauß (Sohn).1941 wurde seine jüdische Abstammung von den Nazis verfälscht, Strauß arisiert. Ebenso erging es seinem Nachlass.
Lex Strauß. Am 30. März 1895 errichtete Johann Strauß-Sohn ein geschicktes Testament. Als er stirbt, wird seine Frau Adele, die "lästige Witwe" die urheberrechtlichen Interessen ebenso derart geschickt wahren, dass es gar zu einer sogenannten "Lex Johann Strauß" kommt.
Seine dritte Frau, auch als "lästige Witwe" bezeichnet, Adele Strauß war eine außerordentlich tüchtige Managerin für ihren Mann. Nach seinem Tode beachtete sie pünktlich die Eingänge der Tantiemen. Sie betrieb mit aller Energie die Verlängerung der Schutzfrist des Urheberrechts. Um die Jahrhundertwende dauerte diese 30 (heute 70) Jahre. Sie forderte 50 Jahre, erreichte aber mit der "Lex Johann Strauß" die Verlängerung der Schutzfrist auf 32 Jahre. Die Künstler ihrer Zeit hätten ihr zu danken. Umgekehrt: Im Jahre 1931 stand die Musik von Johann Strauß dem freien Markt zur Bearbeitung zur Verfügung. Damit begann der Aufstieg der Musik von Strauß zum Rundfunk-, Film-, Schallplatten- und CD-Komponisten.
Sträuße. Johann Strauß (Sohn) war der Sohn des Komponisten Johann Strauß (Vater). Die Komponisten Richard Strauss und Oskar Straus(s) sind mit ihnen nicht verwandt. Zur Unterscheidung wird den ersteren daher immer Sohn oder Vater hinzugefügt, der Komponist Richard wird ebenfalls zur Unterscheidung mit "ss" und nicht "ß" zitiert und Oscar strich ein "s" aus seinem Namen. Sicher unzureichend aber doch irgendwie charakterisierend wird Strauß-Vater durch einen polizeilichen Straffall beschrieben:
"Sitzungsprotokoll der Niederösterreichischen Landesregierung Nr. 1301, G.10. vom 22. Juli 1835: Der Magistrat der Stadt Wien überreicht zur Bestättigung nach § 402 die Urteile des Franz Mosée, Johann Scherzer, Josef Schezer, Ignaz Karl Aufricht, Josef Schwabel, Josef Votty, Johann Strauß, deren jeder des Spielens des verbothenen Spieles "Macao" und ersterer auch der Gestattung desselben in seiner Wohnung schuldig erkannt und jeder zu 900 fl. Wiener Währung verurteilt wurden, indem aller erklären, dass ihnen die Geldstrafe lieber say ... Johann Strauß, 30 Jahre alt, in Wien gebürthig, katholisch, verheurathet, Vater von fünf Kindern, Musikdirektor, in der Leopoldstadt Nr.314 wohnhaft, hat selbst eingestanden, am heiligen Abend und am Sylvesterabend 1833 beim Sperl Macao gespielt zu haben. Auch hat er bei dieser Gelegenheit eingestanden, am 18.September 1834 und auch früher im Gasthausgarten "zum Sträußel", in dessen Nähe mehrere Schindeldächer sind, an der Oberlichte des Salons an einem vorspringenden Kupferdache acht Feuerwerkskörper angebracht zu haben, welche beim Losbrennen leuchten. Es wird von ihm zur Entschuldigung angeführt, dass er glaubte, es sey hiedurch keine Feuersgefahr vorhanden. Als erschwerend kommt vor, dass hier zwei Uebertrettungen zusammentreffen, als mildernd, dass er alles einbekannt und das erste Mal in Untersuchung ist. Er wurde daher auch zu 900 fl Wr. W. verurtheilt und nebst dem verbothenen Spiel auch einer feuergefährlichen Handlung als schwere Polizey-Uebertretung für schuldig erkannt."
Testament. Das Testament von Johann Strauß - Sohn war recht geschickt gemacht. Er vermachte sein Vermögen der Gesellschaft der Musikfreunde, bedachte Ehefrau und Stieftochter mit einer Rente aus diesem Nachlass und auch seine beiden Schwestern. Er selbst gab an, ansonsten nichts zu besitzen: "Mit Ausnahme meiner Kleidung und Wäsche gehört mir also nichts von diesen Gegenständen in meinen Nachlass. Ich bin überzeugt, dass meine liebe Gattin mit diesen Gegenständen, soweit sie zu Andenken an mich geeignet sind, einen meinen Wünschen entsprechenden Gebrauch machen wird." Die Rentenansprüche der Familienmitglieder waren hypothekarisch sichergestellt und so musste die Gesellschaft der Musikfreunde das Hinterlassene nach und nach wegen der hohen Belastungen verkaufen.
Drei Frauen. Heute gäbe er nicht nur mit seinen Erfolgen und Stargehabe für die Yellow-Press ein gefundenes Fressen. Er war dreimal kinderlos verheiratet: 1862 heiratete er Henriette Treffz-Chalupetzky (1818-1878), 1878 Angelika Dietrich (1850-1919) und 1887 Adele Strauss-Deutsch (1856-1930). Diese war in erster Ehe (seit 1874) mit dem Bankier Anton Strauss verheiratet gewesen, der 1877, zwei Jahre nach der Geburt ihrer Tochter Alice, starb.
Johann Strauß - Sohn (geb. 25. 10. 1825) heiratete am 27. August 1862 in der Wiener Stephanskirche Henriette Treffz-Chalupetzky (1818 - 1878) auch "Jetty" genannt. Sie war die Geliebte des Bankiers Moritz Ritter von Todesco und gebar vor ihrer Ehe mit Strauß sieben uneheliche Kinder. Es wird gesagt, dass die elterlichen Auseinandersetzungen Johann Strauß-Sohn zum Spielball der Mutter machte und er deswegen die um sieben Jahre ältere Sängerin Henriette zu Treffz-Chalupetzky als einen Mutterersatz anstatt einer jungen Geliebten zur Frau nahm. Wie dem auch sei: Sie war eine hervorragende Managerin für Strauß, und es soll ihr Verdienst gewesen sein, Strauß zur Operettenkomposition gebracht zu haben. Strauß soll der Schmerz über ihren Tod so getroffen haben, dass er gar nicht an den Begräbnisfeierlichkeiten teilnehmen konnte und sich im Hotel versteckt hielt.
Ungeachtet dieses Schmerzes verehelichte er sich schon sieben Wochen später mit Ernestine Henriette Angelica Dittrich (1850-1919). Strauß, 25 Jahre älter als "Lily", kannte sie schon aus früherer Zeit - ohne dass seine erste Frau von diesem Verhältnis wusste - und heiratete sie am 28. Mai 1878 in der Wiener Karlskirche, 50 Tage nach dem Ableben von Henriette Strauß. Die Ehe wurde durch Beschluss des k.k. Landesgerichtes Wien vom 9. Dezember 1882 von Tisch und Bett rechtskräftig geschieden und von Strauß eingefädelt "durch die Gnade Seiner Hoheit des Herzogs von Sachsen-Coburg-Gotha mittels Decretes vom 11. Juli 1887 aus landesherrlicher Machtvollkommenheit auch dem Bande nach getrennt".
Arisierung I. Die Nazis waren gründlich. Auch bei den Verstorbenen. Johann Strauss sen.'s Großvater Johann Michael Strauss war ein getaufter Jude aus Ungarn. Zur NS-Zeit ließ diese (jüdische) Herkunft Johann Strauss' das Reichssippenamt aktiv werden. Durch einen Zufall entdeckte man nämlich 1938, dass sein Stammbaum "Probleme" aufwies. Strauß war damals ein so genannter Vierteljude. Damit wäre die Verbreitung seiner Musik "als für die deutsche Volksseele schädlich" eigentlich nicht gestattet gewesen. Der Reichspropagandaminister Joseph Goebbels nahm sich der Sache höchstpersönlich an und erklärte die Angelegenheit zur "Geheimen Reichssache." Man konnte doch nicht einfach diesen weltbekannten Wiener Musiker ächten und so entschloss man sich, die Angelegenheit zu kaschieren: Die Geburtsmatrikel der Strauß-Dynastie wurden kurzerhand gefälscht.
Arisierung II. Anders erging es seiner Stieftochter Alice Meyszner-Strauss (Sie war die Tochter von Adele Strauss aus erster Ehe). Im Zuge einer Hetzkampagne der Nationalsozialisten wurden Alice Meyszner-Strauss die Materialien aus dem Besitz ihres Stiefvaters Johann Strauss (Sohn) abgenötigt und gelangten so in den Besitz der Stadt Wien. Im Juni 1939 begann eine unglaubliche Hetze gegen Alice Meyszner, Hanns Epstein, aber auch gegen Louise Simon im "Stürmer", dem antisemitischen Hetzblatt von Julius Streicher. In diesem wurde Alice Meyszner bei einer vollständigen Angabe ihres Namens und ihrer Adresse als "jüdische Erbschleicherin" und als "Volksschädling" und ihr Sohn Hanns Epstein als "notorischer Nichtstuer" und "Homosexueller" denunziert und die Herausgabe der Strauss-Sammlung an die Stadt Wien gefordert. Der Hinweis, dass "die zuständigen Behörden den Weg zu finden wissen, der zweckmäßig ist, um die abgegaunerten Werte an die Allgemeinheit zurückführen zu können", fehlte nicht und musste als gefährliche Drohung empfunden werden, die dazu führte, dass Alice Meyszner und Hanns Epstein am 19. Juni 1939 ihre Sammlung "schenkungsweise" in das Eigentum der Stadt Wien übertrugen. Zuvor war diese bereits – was auch von Seiten des "Stürmers" begrüßt worden war – am 21. April 1939 auf Antrag der Zentralstelle für Denkmalschutz durch das Kulturhauptamt aufgrund des "Verdachts der Verschleppung ins Ausland" "sichergestellt" worden.
Nach dem Kriege und dem Ende des Tausendjährigen Reiches wurde die Sammlung zwar wieder an die Erben zurückgegeben, doch ein Ausfuhrverbot (Denkmalschutz) erlassen. Solcherart "einigte" man sich dann mit den Erben, dass der größere Teil der für die Forschung und Österreich wichtigen Dokumente als "Geschenk" dableiben durften.
Restitution. Seit 1999 überprüft die Stadt Wien sämtliche in der NS-Zeit getätigten Erwerbungen von Kunst- und Kulturgegenständen mit dem Ziel, alle auf unredliche Weise zugewachsenen Objekte an die einstigen Besitzer bzw. deren Erben zurückzustellen. Die zu diesem Zweck eingesetzte Restitutionskommission empfahl die vollständige Rückgabe der Sammlung Strauss-Meyszner. Nachdem die Stadt Wien 2001 dieser Empfehlung vorbehaltlos nachgekommen war, kaufte sie die Sammlung noch im gleichen Jahr über Vermittlung des Auktionshauses "Sotheby’s" an. Die Sammlung Strauss-Meyszner steht somit wieder und auch rechtmäßig in der Wiener Stadt- und Landesbibliothek und im Wien Museum Karlsplatz der interessierten Öffentlichkeit und insbesondere der Forschung zur Verfügung.
Links:
Passwörter des Nationalsozialismus
Das Testament von Johann Strauß (Sohn)
Die Geschichte der Fälschung im Jahre 1941
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