Mittwoch, 7. Januar 2009

Politik im Web 2.0 - Zwischen Strategie und Experiment


Seit vergangenen Sommer analysiert "newthinking communications" alle drei Monate das Engagement der deutschen Parteien, Spitzenpolitiker und ihrer Jugendorganisationen im sozialen Netz. Nun liegt die dritte Kurzstudie “Politik im Web 2.0 - Zwischen Strategie und Experiment” als PDF brandneu zum Download vor.

Im US-Präsidentschaftswahlkampf 2008 zeigte sich erneut die enorme Bedeutung, die dem Internet dort als Wahlkampfmedium zukommt. Doch sowohl die Medien- als auch die politische Kultur unterscheiden sich merklich zu den USA. Während in den USA die Personen Barack Obama, Hillary Clinton und John McCain im Vordergrund standen, sind hier Wahlkämpfe deutlich weniger personalisiert, sind sie im deutschssprachigen Raum stattdessen stärker auf die Parteien als Organisationen politischer Meinungsbildung zugeschnitten.

Wenn auch beinahe allseits Web 2.0 Strategien erkennbar sind, welche die Studie krampfhaft zu messen sucht, so zeigt das Ergebnis doch, dass bei den Parteien fast nur der Wahlkampfdruck und die Angst von der Konkurrenz mit "irgendetwas" Unbekanntem, Gefährlichem überrascht zu werden hinter den mit dem näherkommenden Wahlterminen wachsendenden Aktivitäten stehen. Es ist nicht das aktive Erkennen, Suchen und Finden, ja vielleicht Herantasten an die Möglichlkeiten des Web 2.0. Im Vordergrund stehen mehr zentrale bürokratische Ansätze, herkömmliche Medienarbeit und Web 2.0 kompatibel zu machen, der klassischen Medienarbeit eine weitere Abteilung hinzuzufügen.

Auch wenn es so nicht in der Studie steht: Die Politik hängt in ihrem Kernsegment - nämlich physische Aktivierung von politischen Anhängern und Meinung meilenweit hinter der längst im Web aktiven Wirtschaft her. Dies obwohl die Politik das Kapital dafür in Händen hätte, braucht sie ja ihren Wählern kein Produkt (über einen ökonomisch kalkulierten Preis) zu verkaufen und sind ihre Akteure nicht Aktienpakete sondern Menschen, reale Menschen wie sie auch ganz real hinter dem virtuellen Socialweb stehen.

Dabei wird in dieser Studie zwischen den Zeilen immer wieder deutlich, dass die Politik gerade im Web 2.0 nicht ohne Politik auskommt. Wie anders ist es zu verstehen, dass die faktisch gar nicht im Web selbst präsenten Oskar Lafontaine und Gregor Gysi bei Technorati und Google Blogsearch überdurchschnittlich gute Werte erreichen. Dies beweist, dass das Social Web ein durch und durch politisches ist und es nicht darauf ankommt auf YouTube die auch sonst nicht goutierten Parteiwerbefilmchen zu positionieren, sondern die Webaktivisten für sich zu gewinnen.

Wer nämlich bereits (täglich) bloggt, ist schon ein politischer Mensch und wird es nicht erst durch eine Parteizentrale und ihre Marketingstrategie. Parteizentralen und Marketingagenturen nüssen im Web 2.0 mit ihren klassischen Strategien deshalb versagen so sie diese einfach auf ein vermeintlich neues (zusätzliches) Medium übertragen wollen.

Web 2.0 ist das gänzliche Gegenteil eines Massenmediums, eines Informationsinstrumentes für die Massen. Es besteht aus einer Masse einzelner wechselseitig wirkender und somit nicht herkömmlich kontrollierbarer Medien. Diese entwickeln eine Eigendynamik, die nicht ohne weiteres steuerbar ja berechenbar ist oder sie sind eben nicht. Um es noch deutlicher zu machen: Parteien werden im Web 2.0 nur erfolgreich sein, wenn sie das Soczialweb als Adressat und nicht als praktischen Transmissionsriemen ihrer Kampagnen zu nutzen verstehen.

Ganz neu müsste diese Erfahrung eigentlich für jene Parteien nicht sein, die auch Erfahrung mit unabhängigen und nicht in Parteisekretariaten institutionalisierten echten Wählerinititiativen haben oder hatten. Web 2.0 böte ihnen nun die bislang fehlende preisgünstige Technologie für deren unendliche Entfaltung.

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3. Kurzstudie: Politik im Web 2.0Hintergrund: FOCUS - SPD online Herzstück in Himmelblau

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